#81

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 3

in Freilandorchideen 29.12.2008 16:31
von Wolfgang • Hängemattentester | 2.252 Beiträge


Braucht man für den Verschluss der (Reagenz-)Gläser sterile Zellulosestopfen oder reicht handelsübliche (Baumwoll-)Watte, aus der man sich die Stopfen selbst dreht? -

Falls normale Watte reicht - steril ist die doch sicher nicht, auch nicht nach einem Abflämmen, oder?


LG Wolfgang
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#82

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 3

in Freilandorchideen 29.12.2008 19:22
von Claus • Unkrautzupfer | 39 Beiträge

Hallo Wolfgang,
ich sehe schon, ich muss bald die Fortsetzung bringen. Muss ich mal die Kamera anwerfen.

Man nimmt normale Watte und dreht daraus Stopfen. Die Stopfen werden dann zusammen mit dem Nährboden im Reagenzglas sterilisiert.

Viele Grüße
Claus

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#83

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 3

in Freilandorchideen 29.12.2008 20:01
von Wolfgang • Hängemattentester | 2.252 Beiträge

Danke. Und tut mir auch leid, Claus, wenn ich immer wieder vorgreife.

Die Frage ergab sich für mich heute ganz aktuell, weil ich die eine und andere Stunde Websites von Firmen mit Laborbedarf durchforstet und einiges bestellt habe. Dabei habe ich eben auch diese sterilen fertigen Stopfen gesehen. Gerade wenn man solche Sachen bestellt, sollte man ja stets aufpassen, den voraussichtlichen Bedarf möglichst komplett zu erfassen, um nicht durch unnötige Nachbestellungen ebenso unnötige zusätzliche Versandkosten zu produzieren.

Bis auf die Teile für eine Sterilbank, die ich nach einigen Überlegungen zunächst mal aufgeschoben habe, um es für's erste mit Dampf anzugehen, müßte ich jetzt zumindest das alles zusammen oder auf dem Weg haben, was aus Deinen bisherigen Beiträgen in Verbindung mit der Seite von Lotte & Thomas hervorgeht.

Nachtrag: die Stopfen habe ich nicht mitbestellt, weil ich mir gedacht habe, dass man die irgendwie selbst zusammenfriemelt.


LG Wolfgang
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#84

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 4

in Freilandorchideen 25.05.2009 15:50
von Claus • Unkrautzupfer | 39 Beiträge

Hallo,
es tut mir leid, wenn die Fortsetzung so lange gedauert hat. Ich habe in den letzten Monaten sehr viele Gläser umgelegt und auspikiert und außerdem im Garten 35 Scheinzypressen gefällt, zu Brennholz verarbeitet bzw. die Zweige geschreddert und kompostiert. Danach habe ich einen 18 m langen und 70 cm tiefen Graben an der Grundstücksgrenze gebuddelt, um die dort eindringenden Wurzeln von großen Bäumen auf dem Nachbargrundstück abzuwehren. In den Graben kam dann eine 2 mm dicke Folie aus HDPE. Die Wurzeln waren zum Teil mehr als armdick und in ihrem Bereich war der Boden pulvertrocken.

Wozu der Aufwand? In diesem Bereich will ich mir mehrere unterschiedliche Biotope bauen. Nun sind die groben Arbeiten i.w. getan, und ich hoffe dann auch etwas mehr Zeit für diesen Thread zu haben. Im Prinzip habt ihr auch nichts versäumt; denn die wesentliche Zeit für die Aussaaten kommt in den Monaten Juli bis Oktober.

Heute will ich über das sterile Arbeiten schreiben. Die zuckerhaltigen Nährböden sind ja eine ideale Ernährungsgrundlage für alle Keime, vor allem aber für Schimmelpilze. Wenn auch nur eine einzige Spore auf einem Samen ungetötet bleibt, wenn auch nur eine Hefezelle beim Arbeiten von der Hand in das Aussaat- oder Umlegeglas gelangt, ist es um den Erfolg geschehen.

Wenn wir uns mit einzelnen Viren oder Bakterien infizieren, dann schafft es unser Immunsystem normalerweise, dass die sich nicht vermehren können und wir nicht krank werden. Im künstlichen Nährboden existiert aber ein solches Immunsystem nicht. Man kann z.B. dem Nährboden Streptomycin zusetzen, um die Infektion mit Bakterien zu verhindern oder zu hemmen. Aber abgesehen davon, dass wir nicht mit Antibiotika arbeiten sollten, um Resistenzen zu verhindern, werden bakterielle Infektionen in den Gläsern ausgesprochen selten vorkommen. Typisch dagegen ist die Bildung von Schimmel auf der Oberfläche des Nährbodens, der dann normalerweise auch die gekeimten Protokorme hinweg rafft. Es gibt allerdings Ausnahmen, in denen ein Schimmelpilz mit gekeimten Sämlingen in Koexistenz lebt, das ist aber eine wackelige Angelegenheit, die selten gut ausgeht.

Man könnte theoretisch auch mit Fungiziden arbeiten. Ich habe das einmal versucht, dabei wurden aber bereits gekeimte Protokorme zu 100% vom Fungizid getötet.

Es hilft nichts, wir müssen lernen absolut steril zu arbeiten. Es gibt da mehrere Methoden, z.B. hat ja Thomas Ederer dazu Informationen ins Netz gestellt. Ich werde aber hier meine eigene Methode beschreiben, die ausgesprochen sicher ist, allerdings auch einen gewissen Aufwand bedeutet. Ich habe vieles ausprobiert, was in den Foren diskutiert wurde und wird, aber nach der hier vorgestellten Methode hat man Erfolg, das allein zählt für mich.

Es geht zunächst um ziemlich triviale Dinge, die man unbedingt einhalten muss. Oft wird mir gesagt, ich mache das aber anders, und diesen großen Aufwand braucht man nicht zu betreiben. Ja, natürlich, es geht vieles, auch über Wasserdampf, aber hier beschreibe ich eine Methode, die sich in vielen hundert Gläsern bewährt hat.

Das A und O des sterilen Arbeitens ist zunächst absolute Sauberkeit. Also sorgfältig die Hände mit Seife waschen und zum Abtrocknen ein frisches Handtuch verwenden. Sterile Gummihandschuhe aufziehen. Ich verwende die Latexhandschuhe von Rossmann, Größe L, von denen 50 Stück 3,59 EUR kosten. Sie müssen aber noch sterilisiert werden. Dazu ziehe ich sie mir zunächst kurz an, um sie etwas zu dehnen, dann werden jeweils 4 oder 6 Stück paarweise in einem Marmeladenglas mit etwas lose aufgelegtem Deckel sterilisiert. Von diesen Gläsern mit Handschuhen habe ich immer so 4 – 6 vorrätig. Ich ziehe nach jedem Vorgang ein neues Paar an, d.h. wenn ich z.B. bei der Aussaat zwischendurch etwas anderes anfassen muss, dann wechsele ich die Handschuhe vor dem nächsten sterilen Arbeitsgang. Das habe ich nicht immer gemacht, die Folge waren immer wieder unerwartete Infektionen. Ärgerlich, wenn es sich dabei um ein Glas mit nur wenigen kostbaren Sämlingen handelt.

Diese Handschuhe sind erstens sehr preiswert, zweitens kann man sie viele Male neu sterilisieren. Hier darf man einfach nicht schludern.

Über die Desinfektion einer ggf. vorhandenen Sterilbank mit 0,5%iger DanKlorix-Lösung habe ich ja schon geschrieben. Man kann sie auch mit z.B. 70%igem Alkohol auswischen oder mit Mikrozid AF, aber DanKlorix ist wesentlich wirksamer als die Alkohole. Warum? Weil Keimen durch Alkohol lediglich das Wasser entzogen wird und sie dadurch absterben, oder sie werden durch die Inhaltsstoffe vergiftet. Das ist aber nicht 100% sicher, während das in DanKlorix wirksame Hypochlorit die Keime durch oxidative Schädigung direkt abtötet. Man muss sich das so vorstellen, dass den Keimen durch den Zerfall des Hypochlorits eine Art Elektroschock versetzt wird, so als wären sie vom Blitz getroffen worden. Hypochlorit überträgt auf diese Weise im Molekülbereich eine enorme Energie. Das geht ganz schnell, aber das Hypochlorit muss auch überall hinkommen können, und das dauert eben dann doch etwas.

Alles muss steril sein: Nährboden, Gläser, Spatel, Spritzen, Handschuhe, ggf. zum Nachwaschen benötigtes Wasser, die Samen natürlich auch.

Zwar wird ja die Sterilbank auch desinfiziert, aber zur Sicherheit und als Arbeitsgrundlage lege ich mir immer ein sterilisiertes Stück Alufolie in die Bank. Diese Folienstücke von ca. 15 x 20 cm falte ich einmal zusammen und rolle sie dann über einen Bleistift zu einer Rolle. Jeweils 4 von diesen Rollen werden senkrecht in ein Marmeladenglas gesteckt und ebenfalls sterilisiert.

Ich will jetzt einmal die Arbeitsabläufe beschreiben und gehe dabei von einer Sterilbank oder Sterilbox aus. Die wird zunächst mit einem mit 0,5%iger Danklorix-Lösung völlig getränkten Papier-Küchentuch ausgewischt, wobei der Lösung zur besseren Benetzung ein paar Tropfen Spülmittel zugesetzt werden. Das Hepafilter darf mit dieser Lösung auf keinen Fall in Kontakt kommen, sonst ist es hin !!! Eine der Sterilbank vorgeschaltete Plexiglasscheibe muss ebenfalls mit der Lösung auf der Innenseite abgewischt werden. Man wartet dann ca. 15 Minuten und stellt erst dann das Gebläse der Sterilbank an. Dann wird wieder ca. 15 Minuten gewartet, um sicher zu sein, dass keine Keime mehr aus dem Hepafilter heraus fliegen, dann kann man mit der Bank arbeiten.

Im nächsten Schritt kochen wir Nährboden, und dann beginnen wir auch mit der Aussaat.

Viele Grüße
Claus

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#85

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 4

in Freilandorchideen 25.05.2009 22:00
von Wolfgang • Hängemattentester | 2.252 Beiträge

Hallo Claus,

freut mich, dass es weitergeht.

Ich habe schon Achim geschrieben, das ich aus bestimmten Gründen meine Vorbereitungen nach der Materialbestellung zunächst einmal stoppen musste und vorhabe, nach dem Sommerurlaub bzw. zu Herbstbeginn weiter zu machen. Nach Deiner mitgeteilten Zeitplanung mit den Fortsetzungen Deiner Anleitungen müsste das ja hinhauen.

Ansonsten bleibt zunächst festzustellen, dass

1. ich schon beim Lesen des ersten Absatzes Deines letzten Postings Rückenschmerzen bekommen habe und
2. Deine Hinweise auf den betriebenen Aufwand im sterilen Arbeiten wichtig waren, weil ich das in dieser Ausformung sonst sicher nicht für nötig gehalten hätte.


LG Wolfgang
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#86

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 4

in Freilandorchideen 25.05.2009 23:11
von Claus • Unkrautzupfer | 39 Beiträge

Hallo Wolfgang,

merkwürdig war, die Buddelei im "Schützengraben" ist mir wirklich gut bekommen, jedenfalls besser als Radtouren oder Wandern im Flachland. Allerdings hatte ich in den ersten Tagen so ein Gefühl wie Sisyphos ...

Viele Grüße
Claus

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#87

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 3

in Freilandorchideen 17.06.2009 18:36
von Claus • Unkrautzupfer | 39 Beiträge

Herstellung von Aussaatböden

Da mir selbst die Nährböden ausgegangen sind und der Aussaattag Anfang Juli droht, den wir seit 2005 regelmäßig abhalten, passt das ganz gut in das Konzept; denn der nächste Schritt sollte ja die Herstellung von Nährböden sein.

Ich säe grundsätzlich nur in Reagenzgläser aus, allenfalls in seltenen Fällen auch einmal in Rundgläser. Die Gründe:

1. Ich benötige pro Glas lediglich 5 ml Nährboden, das ist vielleicht der wichtigste Grund.

2. Man kann die Samen mit dem Spatel sehr schön in den Nährboden der Reagenzgläser hineindrücken, um besseren Kontakt mit dem Nährboden zu schaffen, was die Keimung erleichtert. Vor allem bei der Grünaussaat, bei der oft ganze Samenleisten in das Reagenzglas eingebracht werden, ist ein inniger Kontakt der Fläche mit den Embryonen besonders wichtig. Bei den Rundgläsern ist das nicht so einfach die Samen einzudrücken.

3. Ein weiterer Grund: Reagenzgläser kann ich sehr schön in Gefriertüten, Marmeladen- oder Honiggläsern senkrecht aufbewahren und benötige dafür nur sehr wenig Platz, auch bei Hunderten von Gläsern.

4. Schließlich kann man mit einer 10x-Lupe sehr schön in die Gläser hinein schauen, kann erkennen, ob überhaupt Embryonen in den Samen sind, ob diese nach einiger Zeit quellen, um den Keimvorgang einzuleiten, oder ob sie sich bald nach rötlich oder braun verfärben, um den Tod zu beweisen. Auch den optimalen Zeitpunkt für das Umlegen kann man so leicht erkennen.

Wenn ich Nährboden koche, dann nur sehr selten eine einzige Variante. Meistens kombiniere ich mehrere Frucht- oder Pflanzensäfte oder setze verschiedene Hormone ein. In dem Beispiel, das ich hier als Datei anhänge, sind es 5 Varianten. Damit es sich lohnt, koche ich immer mindestens 0,5 Liter oder wie in diesem Fall 1 Liter. Bei 5 ml je Glas komme ich rechnerisch auf 200 Gläser pro 1 Liter; durch Verdunstung und ungenaues Abmessen sind es in der Praxis einige weniger, hier sind es immerhin 191 geworden.

Arbeitsvorgang:

In einen Edelstahl- oder emaillierten Topf fülle ich 1 Liter dest. Wasser – dieses entmineralisierte Wasser aus den Bau- oder Supermärkten ist in Ordnung.

Dazu kommen 20 g Zucker, 2 g Aktivkohle und 6 g Agar.

Die anderen Zutaten sind hier einmal abgebildet, es ist eine ganze Menge an Chemikalien. Man braucht diese, wenn man wirklich gute Erfolge haben will und nicht nur einmal an der Orchideenvermehrung schnuppern möchte. Dafür würden käufliche Nährböden oder Küchenrezepte vollkommen ausreichen. Aber für die schwierigeren Arten reichen diese Böden nicht aus, die Samen keimen auf ihnen einfach nicht.



Ich arbeite seit einiger Zeit mit Stammlösungen, das erspart mir viel Arbeit beim Abwiegen auf der Analysenwaage. In einer Stammlösung kann ich mehrere Komponenten vereinigen, z.B. Vitamine, Spurenelemente oder auch manche Hauptnährstoffe, In diesem Fall sind es 4 Stammlösungen von denen ich von den ersten drei je 2 ml mit einer passend großen Spritze aufsauge und in den Topf spritze. Von der vierten Lösung werden 10 ml zugegeben.

Warum kann ich nicht alle Komponenten in eine einzige Stammlösung einbringen? Ich will es einmal an einem Beispiel zeigen. Nehmen wir einmal die Hauptnährstoffe Calcium und Phosphat. Calciumphosphat ist in Wasser praktisch unlöslich, kann also nicht Bestandteil einer Stammlösung sein. Ich kann aber z.B. Kaliumdihydrogenphosphat in eine Lösung bringen und Calciumnitrat in eine andere. Wenn ich die direkt zusammen schütte, dann fällt mir das Calciumphosphat aus und Kaliumnitrat entsteht. Also müssen diese Stoffe getrennt bleiben bis sie durch entsprechende Verdünnung im Nährbodenansatz nicht mehr zur Ausfällung führen. In der fertigen Nährbodenlösung spielt es keine Rolle, in welcher Form die Nährstoffe eingebracht wurden, weil nur die Ionen zählen, z.B. das 2-fach positiv geladene Calcium-Ion, das einfach positiv geladene Kalium-Ion oder das dreifach negativ geladene Phosphat-Ion

Die Stammlösungen werden grundsätzlich eingefroren, sonst verderben sie relativ rasch durch Mikroorganismen. Ich taue sie am Vorabend auf, indem ich die Flaschen bei Raumtemperatur in eine 10 l –Gefriertüte mit viel Luft stelle, die ich dann verschließe. Damit erspare ich mir die Bildung von Eis auf der Oberfläche der Flaschen und das Durchweichen von Papieretiketten. Am nächsten Morgen ist alles flüssig.

Damit sind zunächst alle notwendigen Zutaten im Topf, der dann auf höchster Stufe aufgeheizt und immer wieder durchgerührt wird. Zunächst backt der Agar am Boden etwas an, aber gegen Ende, kurz vor dem Aufkochen, löst sich alles auf. Wichtig ist, dass wirklich für einige Zeit aufgekocht wird, damit sich der Agar vollständig löst. Insbesondere Agar-Sorten aus dem Reformhaus lösen sich manchmal sehr schlecht auf. Ergebnis ist dann ein sich nicht verfestigender Nährboden, über den sehr viele Anfänger klagen. Mit dem Agar von Fa. Omikron bin ich immer sehr zufrieden gewesen.

Beim Aufkochen ist aber auch darauf zu achten, dass die Lösung nicht überkocht, sie neigt leider etwas zum Schäumen. Also einen ausreichend großen Topf wählen, gut rühren, und den Herd rechtzeitig kleiner stellen.

Ich messe dann auf einer Küchenwaage z.B. 200 g des Nährbodens in einem kleineren Topf ab, und dann kommen die übrigen Zutaten hinein: Wasser aus der reifen Kokosnuss, auf pH 5,7 neutralisierter Ananassaft aus dem Tetrapak, selbst gekochter Kartoffel-Glucose-Extrakt oder Kombinationen davon. Diese Zutaten werden ebenfalls mit einer passenden Spritze dosiert.

Die Hauptmenge der Nährbodenlösung bleibt inzwischen im zugedeckelten großen Topf auf kleiner Flamme stehen.

Hormone werden mit einer Insulinspritze dosiert, bei der eine Gesamtfüllung nur 1 ml ausmacht, unterteilt in 40 oder 100 Skalenteile. Die angehängte Rezeptur geht von 40 Skt. aus.

Danach wird der pH-Wert überprüft, das darf nicht vergessen werden. Dies kann mittels Prüfstreifen oder besser mit einem pH-Meter erfolgen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Lösung ja heiß ist, das pH-Meter muss entsprechend eingestellt werden, es hat dafür einen Stellknopf. Ideal ist ein pH-Wert von 5,7, aber ein Bereich von 5,3 bis 6,0 ist akzeptabel. Ich korrigiere mit winzigen Mengen Zitronensäure bzw. verdünnter Kalilauge, Essig oder Natron wären alternativ möglich.



Die gelben Streifen sind die Spiegelung der Beleuchtung im Küchenabzug.

Danach kann abgefüllt werden. Mittels einer Spritze mit dicker Kanüle 30 x 1,5 mm sauge ich jeweils 5 ml des flüssigen Nährbodens auf.



Dann drücke ihn in ein senkrecht in einem Gestell stehendes Reagenzglas. Dabei vermeide ich die Berührung der Kanüle mit der Glaswand.



Wenn die Gläser im Reagenzglas-Gestell alle gefüllt sind werden sie in die Honiggläser gestellt.



Zur Ablage der gefüllten Reagenzgläser verwende ich diese Gläser, sie fassen jeweils 13 Stück. Um Verwechselungen der Gläser zu vermeiden – sie sind ja noch nicht beschriftet – lege ich einen kleinen mit Bleistift beschriebenen Zettel in jedes Glas, die Bleistiftschrift verwischt beim Sterilisieren nicht. Dagegen hält die Schrift auch von Permanent-Faserschreibern auf den einzelnen Gläsern das Sterilisieren nicht aus, die Beschriftung erfolgt also erst danach.



Die Gläser werden jetzt mit einem Wattestopfen verschlossen. Dabei recycle ich die Wattestopfen. Das ist kein Geiz sondern Faulheit; denn die Herstellung eines passenden Stopfens benötigt wesentlich mehr Zeit als die Verwendung bereits gebrauchter. Man kann sie mehrere Male verwenden, falls man sie beim Umlegen in der Sterilbank sauber beiseite legt.



Ich stecke die Stopfen vollständig in das Glas hinein. Andere formen den Stopfen so, dass er wie ein Sektkorken aussieht, d.h. ein Stück herausragt. Falls man den Stopfen nach dem Aussäen in das Glas abflämmen möchte ist das ein möglicher Weg. Ich flämme nicht ab. Der Vorteil bei meiner Methode ist, dass die Verdunstung aus dem Glas deutlich vermindert ist, so dass man die ungebrauchten Gläser wesentlich länger aufbewahren kann. Andernfalls konzentriert sich der Nährboden immer weiter auf und schrumpft entsprechend. Außerdem hatte ich nach längerer Lagerung der mittels „Sektkorken“ verschlossenen Gläser einen hohen Anteil an Kontamination mit Schimmel.

Eine Warnung muss ich aussprechen. Das Verschließen der Reagenzgläser mit den Wattestopfen ist nicht ganz ungefährlich. Der Stopfen soll relativ fest sitzen, da er nach einiger Zeit und auch nach dem Sterilisieren ohnehin etwas lockerer wird. Andererseits besteht immer die Gefahr, dass beim Hineindrücken eines zu dicken Stopfens das Reagenzglas zerbricht. Dabei können ganz schreckliche Wunden an den Fingern entstehen. Es ist daher notwendig, die Stopfen vorsichtig hineinzudrehen und nicht zu drücken.



Auf die Öffnung des Reagenzglases kommt dann ein Stück Alufolie. Bei einer Rollenbreite von 30 cm reiße ich einen Streifen von ca. 8 cm Breite ab und teile ihn in vier Stücke, die rechnerisch je 7,5 cm breit sind.







Anschließend kommen die Reagenzgläser in den Honiggläsern in den Drucktopf. Bei den großen Sicomatic-Töpfen muss man den Einsatz umdrehen, damit man den Deckel schließen kann. Der Topf fasst jeweils 4 Honiggläser mit insgesamt ca. 50 Reagenzgläsern.



Unten im Topf muss mindestens 2-3 cm hoch Wasser stehen. Nach dem Verschließen des Topfes, jedoch mit noch offenem Ventil, koche ich auf der höchsten Stufe an – bei mir ist das 9 – und warte bei geöffnetem Ventil, bis der Dampf zischend austritt. Dies soll ca. 1 min abgewartet werden, damit die Luft aus dem Topf und den Gläsern entweicht. Nur dadurch ist gesichert, dass beim Erscheinen des zweiten Rings am Ventil die Sterilisiertemperatur von 118 Grad erreicht wird. Sicomatic-Töpfe schaffen die sonst in der Praxis üblichen 121 Grad nicht, aber die 118 Grad reichen völlig aus.



Dann stelle ich den Herd auf 4,5 bis 5, verschließe das Ventil und lasse 30 min auf dem Herd stehen, wobei der Druck ansteigt, bis der zweite Ring sichtbar wird. Danach nehme ich den Topf vom Herd und lasse ihn mindestens 15 min abkühlen. Auf keinen Fall darf er geöffnet werden, solange noch Druck vorhanden ist, andernfalls schäumt der Nährboden in den Gläsern auf, möglicherweise bis zum Wattestopfen und ist dann nicht mehr verwendbar.

Jetzt einmal ein Abstecher zu anderen Methoden. Empfohlen wird immer auch der Backofen. Dabei muss man sich darüber klar sein, dass man auf diese Weise nur Temperaturen von knapp über 100 Grad erreicht, weil dann das Wasser des Nährbodens kocht, eine höhere Temperatur ist eben nur über Druckaufbau möglich. Sporen werden so nicht abgetötet, die Gefahr des Verkeimens ist erhöht. Wenn man seltene Arten aussäen will, kann man diese Methode nicht empfehlen. Ein gebrauchter Sicomatic von rechnerisch 6,5 Liter (innen 18 cm hoch) kostet im Internet etwa 35 EUR, allerdings sind die Angebote für große gebrauchte Töpfe seltener geworden. Die 18 cm Höhe werden benötigt, um Reagenzgläser stehend sterilisieren zu können, und liegend geht halt nicht.

Wenn man jetzt die aus dem Topf geholten Gläser bis zum Erstarren des Agars senkrecht stehend abkühlen ließe, dann wäre die zur Aussaat zur Verfügung stehende Fläche nur so groß wie die Öffnung des Glases. Wir brauchen aber einen sog. Schrägagar mit wesentlich größerer Oberfläche. Dazu werden die Gläser mit dem noch heißen flüssigen Nährboden vorsichtig in eine Kiste gelegt, in der sie mit der Öffnung etwas höher liegen als mit dem Ende. Ich habe dazu ein altes Kistchen genommen und meinen Kindern ein paar Bauklötze entwendet.



Falls ich mal Zeit habe werde ich mir eine Kiste basteln, in der 50 Gläser nebeneinander Platz haben.

Man kann die Gläser dort hinein sogar in mehreren Lagen einlegen, man muss nur verhindern, dass der Nährboden beim Einlegen oder beim Transport des Kistchens versehentlich nach vorn in Richtung Wattestopfen läuft. Wird der Wattestopfen mit dem Nährboden benetzt, dann kann man ihn wegwerfen.



Falls ich in einer Charge mehrere Varianten an Nährboden sterilisiert habe, dann muss ich die Gläser noch in heißem Zustand beschriften, andernfalls nach dem Abkühlen.



Ich verwende dazu die Staedtler Lumocolor permanent Faserstifte des Typs „F“. Die Schrift hält sich lange auf den Gläsern, ist aber nicht stabil beim Sterilisieren, muss also danach aufgebracht werden. Sie kann dann aber mit einem Brittschwamm wieder entfernt werden, wenn das Glas nach Gebrauch gereinigt wird.

Die Gläser sollen lange auskühlen und dabei nicht bewegt werden, um dem Agar eine möglichst feste Form zu geben. Bei zu frühem Herausnehmen aus dem Kistchen und Senkrechtstellen kann der Agar wieder abrutschen, eine dann unschöne Sache.

Ich fasse die Gläser nach dem Sterilisieren grundsätzlich nicht mehr mit bloßen Fingern an sondern immer mit Gummihandschuhen. Sie werden schließlich in verschlossenen 1l- Gefrierbeuteln senkrecht gelagert. Bei kühler Lagerung hält der Nährboden mindestens 6 Monate. Eine Lagerung im Kühlschrank ist möglich, ich habe aber den Platz dafür nicht und lagere bei Raumtemperatur. Es könnte sein, dass die Kontaminationsgefahr beim Lagern im Kühlschrank steigt, weil sich die Luft in den Gläsern im Kühlschrank zusammenzieht und ggf. Keime aus der Umgebungsluft ansaugt.

Im nächsten Teil berichte ich über die Aussaat von reifen Samen, ggf. auch schon über die sog. Grünaussaat, falls ich dann schon Kapseln für Fotos zur Hand habe.

Viele Grüße
Claus


Dateianlage:
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#88

RE: Orchideenvermehrung aus Samen für Anfänger, Teil 3

in Freilandorchideen 17.06.2009 22:34
von Wolfgang • Hängemattentester | 2.252 Beiträge

Sehr verständlich beschrieben. Danke, Claus.

Ist schon bemerkenswert, was es alles braucht, um das, was in der Natur "mit ein paar Pilzen" abläuft, Zuhause nach zu ahmen.


LG Wolfgang
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